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Bulimie und Anorexie: was sind die Unterschiede
Mögliche Ursachen, Symptome, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten auf einen Blick.
Autor: Blog-Redaktion, 08. April 2022
Grundsätzlich handelt es sich bei den Essstörungen Bulimie und Anorexie um eine Störung der eigenen Körperwahrnehmung. Wenn man den eigenen Körper trotz gesundem Normalgewicht oder Untergewicht als unförmig, hässlich und zu dick empfindet, sprechen Mediziner von einer Störung der Körperwahrnehmung oder Körperschemastörung. Die verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers kann in eine Essstörung und deren Begleiterkrankungen münden.
Essstörungen, die das Leben gefährden
Um eine sinnvolle Therapie einzuleiten, muss zunächst geklärt werden, ob und an welcher Essstörung die Betroffenen leiden. Problematisch ist dabei, dass sich Zwischenformen entwickeln können, wie etwa bei einer Anorektikerin, die auch bulimie-typisches Verhalten zeigt. In diesem Beitrag betrachten wir Bulimie und Anorexie genauer und beleuchten speziell deren Merkmale.
Bulimie und Anorexie - Sucht nach Kontrolle von Leib und Leben
Die Magersucht hat ihren Beginn vor allem im frühen Jugendalter bzw. während der Pubertät, aber auch im jungen Erwachsenenalter. Bulimie und vor allem Binge-Eating-Störung beginnen meist etwas später als die Magersucht, also vorwiegend im späteren Jugendalter und jungen Erwachsenenalter.
Laut Bundeszentrale für gesunde Aufklärung (BZgA) erkranken von 1.000 Mädchen und Frauen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 14 an Magersucht und 19 an Bulimie.
Jungen und Männer sind deutlich weniger betroffen: Von 1.000 Jungen und Männern erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 6 an Bulimie und 2 an Magersucht.
In der männlichen Bevölkerung tritt Anorexie seltener auf - allerdings mit steigender Tendenz. Besonders in den Risikogruppen, zu denen unter anderem Sportler und Models zählen. Bulimie entwickelt sich oftmals später und auch hier sind überwiegend Frauen betroffen.
Charakteristik der Anorexie
Eine Magersucht, auch Anorexie oder Anorexia nervosa ist eine schwerwiegende und meist sehr langwierige Erkrankung, die unbedingt behandelt werden muss. Tatsächlich aber ist diese Erkrankung im Kern eine verzerrte Körperwahrnehmung, die den Zwang auslöst, das eigene Essverhalten und die Nahrungsaufnahme einzuschränken. Hungergefühle werden verdrängt, da die Betroffenen sich als zu dick empfinden, selbst wenn sie untergewichtig sind. Sie bemühen sich unentwegt, ihr Gewicht weiter zu vermindern und auf keinen Fall zuzunehmen.
Charakteristik der Bulimie
Die psychischen Symptome von Bulimie sind vor allem durch den Suchtcharakter der Erkrankung gekennzeichnet. Bulimie-Kranke erleben mit den unvermeidbar erscheinenden Fressattacken einen Kontrollverlust. Um die Kontrolle über den Körper und die Gefühle zurückzugewinnen, versuchen Bulimie-Kranke, die Folgen der Fressattacken durch das Erbrechen, zügellosen Sport oder andere Maßnahmen wieder auszugleichen. Auch sehr stark kontrolliertes Essverhalten zwischen den Fressattacken ist Teil dieser Strategie. Wie bei Magersucht auch leiden Betroffene häufig an einer stark gestörten Selbstwahrnehmung mit einer ausgeprägten Körperschemastörung. Die Betroffenen nehmen sich in der Regel als viel zu dick wahr, selbst wenn sie normal- oder untergewichtig sind.
Kennzeichnend für diese Essstörung sind wiederkehrende, unkontrollierbare Heißhungerattacken, bei denen die Betroffenen innerhalb kurzer Zeit große Mengen meist hochkalorischer Nahrung verschlingen. Aus Angst vor Gewichtszunahme, greifen sie zu drastischen Gegenmitteln wie, durch selbst herbeigeführtes Erbrechen vorzubeugen. Abführ- und Entwässerungsmittel, sowie Fastenkuren sollen demselben Zweck dienen.
Prägende Faktoren
Die Ursachen von Bulimie und Anorexie sind längst nicht vollständig erforscht. Bei der Entwicklung dieser Störungen wirken gesellschaftliche, biologische und körperliche Einflüsse. Der familiäre Hintergrund von Anorektikern ist häufig durch hohen Leistungs- und Erfolgsdruck geprägt. Zu den Auslösern von Bulimie gehören nicht selten traumatische Erfahrungen wie etwa sexueller Missbrauch, Trennungssituationen, oder auch der Beginn körperlicher Veränderungen in der Pubertät.
Symptome und Merkmale der Anorexie
Die Diagnose Anorexia nervosa wird gestellt, wenn nach Ausschluss möglicher organischer Ursachen die folgenden Symptome vorliegen:
- Gezielte Gewichtsabnahme durch Beschränkung auf kleine Mengen kalorienarmer Nahrung, durch Sport, oder andere Medikamente Körperschemastörung
- Untergewicht: BMI unter 17,5 bei Erwachsenen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten die altersentsprechenden Perzentiltabellen. Weitere Informationen inkl. Online-BMI-Rechner sind auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Essstörungen zu finden.
- Ausbleiben der Menstruation; bei Männern Libido- und Potenzstörungen
- Störungen im Hormonhaushalt, dadurch entstehende Depressionen mit Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Antriebslosigkeit
- Extreme Angst vor Gewichtszunahme
- Mangelnde Krankheitseinsicht
Weitere Kriterien sind selbstinduziertes Erbrechen, die Einnahme von Abführmitteln und/oder motorische Überaktivität.
Eine Magersucht erfüllt oft das Bedürfnis nach Selbstwert und Stolz nach Sicherheit und Kontrolle. Ständiges Kalorienzählen soll die Kontrolle des Körpergewichts ermöglichen. Leistungsorientierung und Versagensängste zählen zu den klassischen individuellen Persönlichkeitsmerkmalen der Betroffenen. Das Streben nach vollständiger Kontrolle über den eigenen Körper führt zur Ausblendung von Anzeichen der Erschöpfung oder Müdigkeit. Mit vorangehender Zeit werden diese Signale oft gar nicht mehr wahrgenommen.
Symptome und Merkmale der Bulimie
Mit den Symptomen der Bulimie haben wir uns in diesem Beitrag genauer Befasst. Zu den zentralen Merkmalen zählen aber folgende:
- wiederkehrende (häufig sorgsame geplante, heimlich durchgeführte) Essattacken mit anschließendem Erbrechen,
- Empfindungen von Isolation, Langeweile und innerer Leere, häufig gepaart mit Frustration, Angst oder Wut als Auslöser der Essattacken,
- Scham- und Schuldgefühle sowie massive Selbstkritik infolge des eigenen Essverhaltens.
Als Abgrenzungsmerkmale zur Anorexie gelten die fehlende Tendenz zum Untergewicht, ein geringes Selbstwertgefühl sowie die Fähigkeit zur Krankheitseinsicht.
Anders als bei Magersucht sind die körperlichen Symptome von Bulimie meistens nicht offenkundig. Betroffene haben in der Regel normales Gewicht oder sind geringfügig unter- oder auch übergewichtig, da sie einerseits die mit den Fressattacken aufgenommenen Kalorien durch Erbrechen oder andere Maßnahmen zwar wieder von sich geben, ein Teil der aufgenommenen Kalorien aber im Körper verbleibt. Andererseits gehört es zu den Symptomen von Bulimie, dass die Betroffenen ihr Essverhalten zwischen den Attacken stark kontrollieren. Das zeichnet sich vor allem durch eine besonders gesunde und kalorienbewusste Ernährungsweise aus.
Langfristige Folgen der Anorexie
Magersucht ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Das chronisch gewordene, zwanghafte Bedürfnis, das eigene Körpergewicht stetig verringern zu wollen, führt bei vielen Betroffenen zu lebensbedrohlicher Fehl- und Unterernährung und oftmals zu schweren Organschäden.
Zu den häufigsten Folgen und Komplikationen bei Anorexia nervosa gehören unter anderem:
- Dehydratation, Störungen des Elektrolythaushalts und Nierenschäden,
- Haarausfall und Entwicklung von "Babyflaum" (Lanugo Behaarung) am ganzen Körper,
- Unterzuckerung,
- Osteoporose,
- Anämie,
- Störungen des Herz-Kreislauf-Systems,
- Zahnschäden, besonders Karies,
- Störungen im Magen-Darm-Bereich,
- Störungen von Libido und Fruchtbarkeit, beispielsweise Amenorrhö bei weiblichen und Testosterondefizite bei männlichen Betroffenen,
- Störungen des zentralen wie des peripheren Nervensystems,
- Konzentrationsstörungen,
- psychische Veränderungen von der Tendenz zur sozialen Isolation bis zur Depression.
Langfristige Folgen der Bulimie
Unbehandelte beziehungsweise andauernde Bulimie kann zu ähnlichen Folgeschäden führen wie Anorexie. BulimikerInnen leiden zudem häufig unter Erkrankungen des Mund-Rachen-Raums durch den Reflux von Magensäure beim Erbrechen und durch den Missbrauch von Abführmitteln.
Zu den typischen Erkrankungen und Komplikationen bei Bulimia nervosa gehören neben anderen
- anhaltende Müdigkeit und Lethargie,
- Vitaminmangel und Mineralverlust,
- Muskelkrämpfe,
- Herzrhythmusstörungen und Kreislaufschwäche,
- Verdauungsschwierigkeiten,
- Verätzung des Zahnfleischs, des Rachens und der Speiseröhre,
- Zahnschäden wie Karies und Zahnwurzelentzündungen,
- seelische Leiden wie innere Spannungen, depressive Verstimmungen und Ängste bis hin zur Suizidalität.
Therapiemöglichkeiten bei Anorexia
Menschen mit einer Körperschemastörung, die kontinuierliches Abnehmen als Erfolg erleben lässt, nehmen das lebensbedrohliche Ausmaß des Gewichtsverlustes nicht als solches wahr. In den meisten Fällen entwickeln die Betroffenen keine oder nur eine geringe Krankheitseinsicht. Je früher mit einer Behandlung begonnen wird, desto größer sind die Heilungschancen
Wie eine Magersucht behandelt wird, ist unter anderem abhängig davon, wie schwer die Erkrankung ausgeprägt ist. Möglich ist: eine ambulante Behandlung in Form einer Psychotherapie, üblicherweise als Kombinationsbehandlung aus zwei oder mehr Therapieformen wie Verhaltens-, Einzel-, Familien-, Körper- und/oder Bewegungstherapie, und einer ärztlichen Betreuung. Eine teilstationäre Behandlung in einer Tagesklinik oder einer therapeutischen Wohngruppe zählt auch zu einer Therapieoption.
Eine stationäre Aufnahme empfiehlt sich, wenn das Umfeld der/des Betroffenen dem Therapieerfolg entgegenwirkt beziehungsweise die Erkrankung fördert. Wegen der möglichen lebensbedrohlichen Folgen der Anorexie besteht das Ziel einer stationären Therapie zunächst darin, den Organismus wieder zu stabilisieren und eine kontinuierliche Gewichtszunahme in die Wege zu leiten. In akuten Fällen kommt es zur Zwangsernährung, unter Umständen auch zur kurzfristigen Gabe von Antidepressiva oder Neuroleptika.
Behandlungsmöglichkeiten von Bulimie
Anders als Anorektiker zeigen von Bulimie Betroffene im Regelfall Krankheitseinsicht und sind zur aktiven Mitwirkung an der Genesung bereit. Gute Heilungschancen bietet die kognitive Verhaltenstherapie, unter Umständen mit Einbeziehung der Familie. Zu den Therapiezielen gehören insbesondere
- Normalisierung des Essverhaltens,
- Verhinderung von Essattacken,
- Aufbau und Stabilisierung des Selbstwertgefühls,
- Minderung der Angst vor Gewichtszunahme.
Depressionen, die Neigung zu Rückfällen, ein Ausbleiben des Therapieerfolgs und ähnliche Krankheitsverläufe können die Gabe von Antidepressiva, eventuell auch eine stationäre oder teilstationäre Therapie erforderlich machen.
Zwanghafte Essstörungen - keine vorübergehenden Launen, sondern ernsthafte Erkrankungen
Haben Sie das Gefühl, möglicherweise unter einer Essstörung wie Bulimie oder Anorexie zu leiden, oder ist vielleicht eine Person aus Ihrem Umfeld betroffen? Zögern Sie nicht, Hilfe und Rat zu suchen. Auf unserer Website finden Sie weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten für kostenlose Beratungsgespräche mit unseren Fachexperten und weiterführende Hilfe.