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Atypische Anorexie: Essstörung mit „Normalgewicht“

Was eine atypische Anorexie von der Anorexia nervosa unterscheidet

Autor: Blog-Redaktion, 18. Februar 2022

Sobald junge Menschen unter die "normale" Gewichtsgrenze fallen, schlagen bei vielen sofort die Alarmglocken an. Der Gedanke an Anorexie oder Bulimie kommt schnell in den Sinn. Nehmen jedoch Übergewichtige in einem kurzen Zeitraum drastisch ab, werden sie dafür gelobt. Wenigen ist klar, dass dies ebenfalls ein Zeichen für eine Essstörung sein kann.

Was ist eine atypische Anorexie?

Die Grenzen zwischen den verschiedenen Essstörungen sind fließend. Immer wieder kommt es vor, dass Betroffene sich nicht so leicht einer Essstörung direkt zuordnen lassen, da sich die Symptome manchmal mit denen einer anderen Essstörung überschneiden - die Symptome machen sich außerdem von Person zu Person anders bemerkbar oder sind verschieden stark ausgeprägt.

Bei einer atypischen Anorexie liegen die meisten Symptome einer klassischen Magersucht vor. Die Betroffenen haben ein gestörtes Körperselbstbild und große Angst zuzunehmen, was nicht selten in einer Mangelernährung resultiert. Allerdings fehlt es an der auffälligsten körperlichen Folge des Anorexia nervosa: das Untergewicht.

Da die Betroffenen einer atypischen Anorexie oftmals im Normalbereich oder sogar leicht darüber liegen, fällt die Essstörung nur schwer auf. Dabei ist sie genauso gefährlich und bringt ähnliche körperliche Folgen einer Mangelernährung mit sich.

Bei Frauen kommt es auch vor, dass sie nach wie vor ihre Menstruation haben. In diesem Fall fehlt eines der Kriterien - die Amenorrhoe- die typisch für Anorexie nervosa ist, so das man hier nach aller Wahrscheinlichkeit eine atypische Anorexie diagnostizieren würde.

Was sind die Ursachen für eine atypische Anorexie?

Menschen jedes Alters und Gewichts können von einer atypischen Anorexie betroffen sein. Oftmals handelt es sich um Jugendliche oder junge Erwachsene, die stark übergewichtig waren und sehr viel an Gewicht verloren haben oder schnell abnehmen wollen. 

Übergewicht und Adipositas nehmen in unserer heutigen Gesellschaft stetig zu. Bewegungsmangel, falsche Ernährung und Einflüsse von außen, wie zum Beispiel Stress, führen immer mehr zur Fettleibigkeit. Auch die Corona-Pandemie und die Lockdown-Maßnahmen haben hier ihren Beitrag geleistet. Laut Studien hat die Pandemie in allen Altersgruppen zu einer betrefflichen Gewichtszunahme geführt. Das wiederum kann nun ein Grund zur vermehrten Fällen von atypischer Anorexie werden.

Die psychische Belastung durch ein verzerrtes Körperselbstbild und den gesellschaftlichen Druck ist bei Betroffenen von atypischer Anorexie genauso hoch wie bei Patienten mit typischer Magersucht.

Viele versuchen deshalb in Eigenregie abzunehmen und greifen dabei zu Mitteln wie Radikaldiäten, bei denen sie ihre Nahrungszufuhr stark einschränken und/oder übermäßig Sport treiben. Lob und Anerkennung von Freunden und auch Ärzten für den Gewichtsverlust, bestärken den Anreiz, weiter abzunehmen. Viele glauben, ihrem Körper etwas gutes zu tun und entwickeln so ein gestörtes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme.

Gefährliche Folgen

Bei vielen Betroffenen kommt es zu niedrigen Pulsraten und sogar zu Herzrhythmusstörungen. Diese resultieren aus der Unter- oder Mangelernährung, meistens gemeinsam mit einer herabgesetzten Körpertemperatur.

Ein beträchtlicher Gewichtsverlust innerhalb einer relativ kurzen Zeit kann zudem zu einer Störung des Elektrolythaushaltes führen. Diese Störung, sollte sie lange genug anhalten, kann die Nieren des Betroffenen erheblich schädigen.

Bei Frauen kann es außerdem passieren, dass die Regelblutung durch den durcheinander gebrachten Hormonhaushalt ausbleibt.

Gibt es andere atypische Essstörungen?

Durch die fließenden Grenzen ist es schwer, eine Essstörung ohne individuelle Diagnose durch einen Experten zu bestimmen. Denn, wie man bei einer atypischer Anorexie und der Anorexia nervosa erkennen kann, ist der Unterschied auf dem Papier zwar klein, tatsächlich aber ziemlich entscheidend.

Atypische Essstörungen sind Erkrankungen des Essverhaltens, die einige Kriterien von, zum Beispiel, Anorexia nervosa aufzeigen, jedoch nicht alle Symptome abdecken. Sie werden als OSFED (Other Specified Feeding or Eating Disorder) bezeichnet.

Andere atypische Essstörungen bzw. weitere Formen auffälligen Essverhaltens:

  • Night-Eating-Syndrome, 
  • Binge-Eating-Störung
  • Biggerexie,
  • Entschlackungsstörung durch den Missbrauch von Abführmitteln und 
  • atypische Bulimia nervosa.

Wie bei der gewöhnlichen Bulimie treten auch bei der atypischen Bulimie nervosa Heißhungerattacken auf, gefolgt von herbeigeführtem Erbrechen oder dem übermäßigen Gebrauch von Abführmitteln. Allerdings machen sich bei der atypischen Bulimie keine signifikanten Gewichtsveränderungen bemerkbar.

Wie wird atypische Anorexie behandelt?

Die Betroffenen erhalten eine individuelle Diagnose und eine darauf abgestimmte Therapie. Oft hilft die Verhaltenstherapie den Betroffenen weiter, denn die Krankheitseinsicht ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Unter Jugendlichen kann man Essstörungen vorbeugen, indem man schon früh über Essstörungen und auffälliges Essverhalten aufklärt und ein gesundes Körperselbstbild fördert. 

Die atypische Anorexie ist eine ernstzunehmende Krankheit. Obwohl sie nicht alle Symptome der "klassischen" Magersucht aufweist, kann sie dennoch schwerwiegende Folgen haben. Weitere Infos rund um Essstörungen ebenso wie Hilfe und Behandlungsmöglichkeiten für Sie und Ihre Angehörigen finden Sie auf unserer Website.

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